Samstag, 4. März 2017
Milchmädchenrechnung über das bedingungslose Grundeinkommen

Die einen geraten ob des heraufziehenden Schlaraffenlandes in helle Begeisterung. Die anderen geben zu bedenken, daß

  • im Schlaraffenlande kein Mensch mehr arbeiten würde, und somit all die Dienstleistungen und Waren nicht mehr zustände kämen, die man für ein Schlaraffenland bräuchte,
  • man das Schlaraffenland nicht bezahlen kann.
Es geht um das bedingungslose Grundeinkommen. Jedem Bürger soll, wenn es nach dessen Anhängern ginge, unabhängig von seiner wirtschaftlichen Situation und ohne Gegenleistung ein bestimmter existenzsichernder monatlicher Betrag ausgezahlt werden. Das soll das bestehende Sozialsystem ersetzen. Es soll keine Bedürftigkeitsprüfungen mehr geben. Ein Haufen Bürokratie würde überflüssig werden.

Jens Berger vom Spiegelfechter-Blog hält das bedingungslose Grundeinkommen für nicht finanzierbar. Mit seinen Ausführungen beschäftigen wir uns im folgenden. Wir werden sehen, daß seine Argumentation nicht ganz stichhaltig ist:

Der Finanzierungsbedarf

Jens Berger möchte jedem Bürger 1000 Euro pro Monat zugestehen. Um jedem der 81 Millionen deutschen Staatsbürger jeden Monat einen Betrag über 1000 Euro auszuzahlen, benötigen wir 972 Milliarden Euro im Jahr. 260 Milliarden Euro werden demgegenüber jedes Jahr eingespart. Das ist der Umfang aller steuerfinanzierten Sozialtransfers im bestehenden Sozialsystem, der durch das bedingungslose Grundeinkommen entfallen soll. Hieraus ergibt sich ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf von 712 Milliarden Euro pro Jahr, die nicht aufgebracht werden können. So geht Jens Bergers Argumentation.

Dabei müßten von den 1000 EUR monatlichem Grundeinkommen auch die Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden. Somit sichert das Grundeinkommen nicht einmal das Existenzminimum.

Der Fehler in der Argumentation.

Damit das Grundeinkommen die Existenz sichert, addieren wir zu den 972 Milliarden Euro pro Jahr einfach 460 Milliarden Euro pro Jahr, so daß wir 1432 Milliarden Euro jährlich auszahlen. 460 Milliarden Euro pro Jahr beträgt der Umfang der Leistungen der Sozialversicherungssysteme. Diese Daten kann man aus Jens Bergers Blogbeitrag ableiten. 460 Milliarden Euro pro Jahr ist sehr großzügig bemessen, denn nach Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens wird bei einem großen Anteil das Grundeinkommen angerechnet, etwa bei Rentenauszahlungen. Doch bleiben wir bei 1432 Milliarden Euro jährlichem Finanzbedarf. Die 460 Milliarden Euro jährlich aus der Sozialversicherungskasse werden in Form von Beitraegen schon im bestehenden Sozialsystem von der Wirtschaft geleistet. Sie müssen nicht zusätzlich erbracht werden. Gegenüber dem bisherigen Sozialsystem müssen also auch jetzt nur 712 Milliarden aufgebracht werden, damit das Grundeinkommen das Existenzminimum abdeckt. Das ist der erste Fehler in Bergers Argumentation.

Darüber hinaus vergaß er eine unscheinbare Vorbedingung des bedingungslosen Grundeinkommens zu berücksichtigen. Das Grundeinkommen wird auf alle Einkommen aus unselbständiger Arbeit angerechnet. Von jeder monatlichen Lohn- und Gehaltszahlung werden die 1000 Euro nämlich vorher abgezogen. Die bekommt er in Form des Grundeinkommens wieder, so daß sich das Einkommen dadurch nicht verringert. Versorgt der Lohn- bzw. Gehaltsempfänger eine Familie, so vergrößert sich dessen Einkommen sogar, denn seine nichtarbeitenden Familienmitglieder bekommen zwar Grundeinkommen, aber ihnen wird nichts abgezogen.

Nehmen wir jetzt an, das beträfe 40 Millionen deutsche Bürger. Diese Zahl habe ich aus den Fingern gesaugt. Ich hoffe, daß sie so einigermaßen stimmt. Damit würden die betreffenden Unternehmen und Behörden jährlich 4800 Milliarden Euro einsparen. Das Jahreseinkommen dieser Unternehmen und Behörden würde um eben diese 4800 Milliarden Euro steigen. Davon müssen nur 14.8 Prozent weggesteuert werden, damit die 712 Milliarden Euro zusätzlicher jährlicher Finanzbedarf aufgebracht werden können. Dem bedingungslosen Grundeinkommen steht nichts im Wege. Das Schlaraffenland kann kommen!

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